Buchprojekt "totes Gebirge" auf Bindakote & IBO
Österreich
2024
Gerin
Buchprojekt "totes Gebirge" auf Bindakote & IBO
Im Buch „Totes Gebirge“ stehen die Fotographien für sich, zueinander und sich gegenüber. Hochglanz-Seiten und matte Seiten unterstreichen und konterkarieren die Fotos. Das für die Fotoseiten gewählte Papier „Bindakote 100g/m2“ bietet eine zusätzlich haptisch-visuelle Ebene. Für den Text von Sandra Gugic weben sich transparente Seiten auf dem Papier IBO 60g/m2 zwischen die Fotostrecken. Der Schutzumschlag aus Starkraft 70g/m2 Papier wurde beidseitig mit Fotomotiven und Texten bedruckt.
"Totes Gebirge" ein großes, aber - leichtes Buch für ein schweres Thema:
Tod und Trauer. Die Fotografien sind über einen Zeitraum von dreizehn Jahren entstanden. Johann Schoiswohl zeigt Gebirgslandschaften, Agnes Prammer Nassplatten-Porträts, unterbrochen von einem Essay von Sandra Gugić und einem Text von Stephen Zepke.
Wie das Trauern selbst ist es ein vor und zurück; ein auf und ab. Die Erwartungen der Lesenden werden aufgebaut und unerwartet gebrochen. „You never walk alone”. Das Buch und die Materialien erlauben Transparenzen und Mehrschichtigkeiten. Nichts offenbart sich schnell. Das Buch hat eine gewisse Zerbrechlichkeit an sich. Und auch seine ungewöhnliche Dünnheit und Biegsamkeit widerspricht dem Kanon des typischen Fotobuchs. Die Gestaltung des Künstlerbuches stammt von Christine Zmölnig (sensomatic).
„Totes Gebirge“ ist als künstlerisches Langzeitprojekt von Agnes Prammer und Johann Schoiswohl zu verstehen, das sich im Zusammenführen von zwei eigenständigen fotografischen Weisen auch mit dem Sterben und Trauern befasst. In ihrer Auffassung von Landschaft und Porträt verbindet beide das Insistieren auf bewusste Verlangsamung des fotografischen Abbildungsprozesses als künstlerisches Credo.
Agnes Prammer, bildende Künstlerin und Medienpädagogin in Wien, entscheidet sich in ihren Porträtarbeiten für das aus der Frühzeit der Fotografie stammende Kollodium-Nassplattenverfahren. Hierbei wird eine Glasplatte vor der Belichtung in einer mobilen Dunkelkammer mit einer lichtempfindlichen Schicht präpariert, um nach dem Auslösen noch im feuchten Zustand entwickelt zu werden. Zu den optisch getreuen, geradezu wie versteinert wirkenden Porträtstudien, die langen Belichtungszeiten verlangen vom Gegenüber ein Höchstmaß an Konzentration, gesellen sich durch den fragilen Prozess mechanische und chemische Spuren in Form von Kratzern und blinden Flecken. Diese zufälligen Einschreibungen, die die dargestellten Personen auch partiell verdecken, evozieren durch ihre vermeintliche Patina ein Gefühl von einem „Memento mori“ (Susan Sonntag) oder gar von einer Art „Einbalsamierung“ (Roland Barthes). Dies kommt dem ästhetischen Bildkonzept der Künstlerin entgegen, die Dargestellten nicht ausschließlich als Individuen zu zeigen, sondern vielmehr als Modelle und Platzhalter für andere.
Für Johann Schoiswohl, bildender Künstler in Wien und Betreiber einer kleinen Landwirtschaft im oberösterreichischen Almtal, ist die angestammte Heimat Ausgangspunkt für seine Expeditionen ins Tote Gebirge. Wie er in eigenen Worten ausdrückt, geht es ihm um Orte der Erinnerung. “In den Fotos von vertrauten Plätzen und Blicken, die aber bei mir auch mit Gedanken zu Tod und Verlust verbunden sind, entsteht mein Bild vom Toten Gebirge.“ (Schoiswohl) So entstanden seit 2010 zahlreiche Bildwerke mithilfe der analogen Mittel- und Großformatkamera mit bis zu 20x25cm großem Farbnegativfilm. Seine präzisen Bildausschnitte legen die Oberflächen von zerklüfteten Gebirgsformationen der alpinen Karstlandschaft frei und wechseln sich ab mit atmosphärischen Seestücken im Spiel des Lichts und Wechsel der Jahreszeiten. Die „sezierten“ Oberflächen (surfaces) der Landschaft versinnbilden diese gleichsam als Gesichter (faces), denen Spuren des Vergänglichen bzw. des Alterns eingeschrieben sind. Und umgekehrt können Prammers Porträts ebenso als Landschaften gelesen werden. Denn beide Künstler:innen verstehen das jeweils verhandelte Genre als eine Art Metapher.